Was bedeutet es Freiberuflerin zu sein?

What does it mean to be a freelancer since one year.

 

Wann hast du das letzte Mal etwas zum ersten Mal gemacht?

Gestern! Habe ich meinen ersten Jahresabschluss für meine Selbstständigkeit abgegeben und habe am 1. April meine Einjährige Freiberuflichkeit gefeiert. Mit Pizza und Sprizz in Arco 😉

Das war ein bisschen der Auslöser mal über das letzte Jahr nachzudenken und festzustellen, dass ich extrem oft Dinge zum ersten Mal gemacht habe. Vermutlich so oft wie noch nie zu vor.

 

Was ich zum ersten Mal gemacht habe:

  • Einen Buisnessplan geschrieben
  • Ein Unternehmen gegründet
  • Mein erster Outdoor Boulderkurs
  • Mein erster Auftrag als Erlebnispädagogin
  • Erste Rechnung geschrieben
  • Ohne Rückfragen Urlaub gemacht
  • 7,5 Wochen in Griechenland überwintert
  • Mobil gearbeitet
  • Unter der Woche liegen geblieben, wenn ich keine Energie hatte
  • Mein eigenen Stundensatz festgelegt
  • Den ersten Auftrag abgelehnt
 

Das letzte Jahr war eine absolute Achterbahnreise der Gefühle und der Entwicklungen. Ich habe soooo unglaublich viel gelernt, neue Perspektiven und Einsichten bekommen und möchte ein paar meiner Gedanken dazu teilen!


Inspiring People – female Empowerment where are you?

Ich glaube der Einstieg in die Selbstständigkeit ist für mich ein Startschuss/Booster und eins der größten Symbole als Feministin. Durch meine berufliche Veränderung habe ich auch ganz viel mich selbst verändert und weiterentwickelt, was ganz stark mit der Arbeitsweise und den Werten hinter der Freiberuflichkeit stecken: Empowerment der eigenen Person und anderer, von der passiven Arbeitnehmerin zur aktiven Einzelunternehmerin, eigene Visionen verfolgen, die Dinge, die ich will selbst in die Hand nehmen. Alle Tätigkeiten von Gründung über Marke aufbauen bis hin zur eigentlichen Trainerinnentätigkeit haben mir über das Jahr einen Aufschwung von Selbstwirksamkeit, Mut und Selbstvertrauen gegeben. Und egal wie der Weg weitergeht, das wird bleiben und weiterwachsen – das spür ich jeden Tag!

Und das Ganze wäre nie so flowig und energiegeladen über die Bühne gegangen, wenn ich nicht so unglaublich inspirierende und bestärkende Menschen in meinem Leben hätte und getroffen hätte. Und dennoch fehlt es noch an inspirierenden Frauen in der Selbstständigkeit. Frauen, die einen ähnlichen Weg eingeschlagen sind, die gleichen Hürden und Sorgen durchgemacht haben und gerne über ihre Erfahrungen und ihr Wissen berichten. Es gibt sie! Nur viiiieeelll zu wenig. I wanna be one of these brave, wonderful, inspiring womens – and I think I’m on the right way! Und ich erlebe immer noch viel zu viele mit ausgefahrenen Ellenbögen – why? Ego? Konkurrenz? Neid? I don’t get it.

Was ist deine Ellenbogenkraft im Vergleich zu einer sich gegenseitig inspirierenden und unterstützenden Ellenbogenkette?


Let’s talk about money!

Dafür das mir Geld nie besonders wichtig war bzw mir andere Dinge im Job wichtiger sind als viel zu verdienen, habe ich im letzten Jahr extrem viel über Geld geredet. Ich bin absolut schockiert darüber wie ich als Freiberuflerin für mein faires Honorar kämpfen muss.

Auf der einen Seite lernt man schnell, was sich für ein gut anfühlt, was man wert ist, wie viel man für sich selber zahlen wollen würde und wie wertvoll die eigene Dienstleistung ist. Auf der anderen Seite ist man oder zumindest ich zum Einstieg in die Selbstständigkeit nicht immer in der Lage seinen eigenen Preis festzulegen bzw nicht gut bezahlte Aufträge abzulehnen, weil ich sie noch nötig habe. Trotzdem sollten du und ich niemals ein Auftrag annehmen, bei dem wir unterbezahlt werden, ausgenutzt werden und es sich nicht richtig anfühlt – denn damit machen wir uns, unsere Dienstleistung, unsere Arbeitsmotivation und auch den Markt kaputt! Ein Beispiel dafür sind die Aufträge im sozialen Dienstleistungsbereich, die als Erlebnispädagogin miterlebt habe. Jobausschreibungen mit „attraktives Gehalt von 300-400€ pro Woche“ – bullshit! Nichts attraktiv – maximal als Praktikumsstelle…

Manchmal frag ich mich, ob manchen Unternehmen nicht bewusst ist, was bedeutet Selbstständig zu sein? Nur ein Bruchteil von dem Honorar wandert tatsächlich hinterher in deine Hosentasche, um ein Eis zu kaufen. Wenn du angestellt bist, bekommst jeden Monat ein fixes Nettogehalt auf dein Konto, mit dem du rechnen kannst und ausgeben kannst. Klar hast auch du Fixkosten wie Miete, zusätzliche Versicherungen ect. aber das meiste hast du zur freien Verfügung. Anders ist es wenn du Selbstständig bist. Dann zahlst du davon erst noch Umsatzsteuer und Einkommenssteuer und du zahlst deine kompletten Versicherungen (Krankenkasse, Rentenversicherung, Berufshaftpflicht) noch selber. Bevor du dann Miete ect. zahlen kannst. Es ist schwer ein Beispiel zu rechnen, weil es von vielen Faktoren abhängig ist. Doch als Richtwert kannst du mit der Hälfte des Bruttogehalts nach Steuern und Versicherungen rechnen. Und jetzt habe ich noch nicht mal Krankheitstage oder Urlaubstage eingerechnet.

Klar kann nicht alles schwarz weiß betrachtet werden. Es ist abhängig von der eigenen Tätigkeitsform (Freiberuflich, nebenberuflich, studierend, minijob,…) und auch davon ob es eine kleine ehrenamtliche Organisation oder eine große Firma ist und ob noch ein Drittabnehmer dazwischen geschalten ist. Und am Ende des Tages wird es gerade als Freiberuflerin mit unterschiedlichen Aufträgen eine Mischkalkulation sein. Dann mach ich einmal einen Job der mehr Honorar gibt und dann einen mit weniger aber vielleicht dafür mehr Spaß oder einem guten Zweck.

Doch 1. Lasst euch nicht verarschen und ausnutzen 2. Mach nur Jobs für das Geld was sich für dich gut anfühlt 3. Verkauf dich nicht unter wert! Du bist zu 80% mehr wert als das, was du (leider vor allem immer noch Frauen*) verlangst/bekommst! Und 4. Redet über Honorare, tauscht euch aus – das gibt Transparenz und auch Selbstvertrauen in den eigenen Stundensätzen, die du ansetzt.


Was bedeutet es Freiberuflerin zu sein – Pro & Contra?

Selbstständigkeit ist nicht für jede*n etwas – klar. Und vielleicht für mehr als es denken. Oft fehlt vielleicht nur der Mut oder das Wissen für die richtige Herangehensweise. Ich kann euch sagen, ich hatte auch nur eins von beidem 😉

 

Was du aufgibst: (oder schwerer zu erreichen ist)

  • Einen geregelten Arbeitsrhythmus mit festen Arbeitszeite
  • Ein Büroklima mit netten Kolleg*innen
  • Finanzielle Sicherheit
  • Leichtere Arbeitshygiene mit festem Feierabend
  • Trennung von Arbeit vs. Freizeit (Work-life-Balance)
 
Was du gewinnst:
  • Arbeit die du zu 90% gerne machst und dir selbst ausgesucht hast
  • Absolute Flexibilität in Zeit und Tätigkeit
  • Urlaubstage so viele wie du magst bzw dir leisten kannst 😉
  • Selbstmanagement nach dem eigenen Energielevel oder dem Wetter
  • Maximale intrinsische Motivation
 
Auch das lässt sich natürlich nicht pauschalisieren und ich kann nur aus meinen Erfahrungen berichten. Doch jeden Tag aufzuwachen und nie (selten) zu denken „ich habe keine Lust in die Arbeit zu gehen“, an schönen Tagen raus zu gehen und an Regentagen zu arbeiten, Tätigkeiten nachzugehen die zu 90% Spaß machen, sich selbst zu verwirklichen, neue Ideen umzusetzen, sich stetig weiterzuentwickeln und den Winter einfach in Griechenland zu überwintern… ist aus meiner Sicht jede Energie, Sorge oder größere Herausforderung, die meine Freiberuflichkeit mitbringt, wert.

Mein Tipp für deinen Start:

Erarbeite dir zunächst einen Buissnes Plan, dabei lernst du schon mal eine Menge: Was du wirklich willst, was dein Produkt/Dienstleistung ist, wie du es verkaufen kannst, was du sonst noch an Versicherungen ect. braucht und vor allem bekommst du auch das erste Gefühl für Finanzen. Und ich kann dir sagen, die unterschätzt man grundlegend!

Und stell dich drauf ein, dass hinterher alles etwas anders kommt als du es dir vorgestellt hast. Und gib nicht vor der ersten Hürde auf. Du wirst es meistern und die zweite ist dann gleich nur noch halb so groß!


My biggest obstracle: Steuern & Versicherungen


Was ist mit Risiken und Sorgen?

Denen solltest du in die Augen schauen und rationalisieren. Ich denke es ist normal, dass man gerade zu Beginn sich sorgen macht, ob das so klappen kann, ob man genügen Kunden bekommt, ob anderen die eigenen Produkte/Dienstleistungen gefallen und ob man davon leben kann. Auch ich hatte in den ersten Monaten immer wieder den Gedanken „fuck ich verdiene zu wenig. Fuck bin ich zu blauäugig in die Geschichte gelaufen?“ Und inzwischen kann ich die tatsächlichen Risiken und Sorgen rationalisieren. Es ist gut einen Plan B zu haben. Das entlastet den Druck, dass das jetzt klappen muss. Finanzielle Rücklagen, Freund*innen oder Eltern im Rücken und einen Plan B für evtl wieder einen Angestelltenjob zu bekommen. Und vielleicht darf man sich auch nicht zu schade sein, zwischendrin mal Jobs zu machen, auf die man gerade keine Lust hat aber Geld einbringen.

Jetzt nach einem Jahr kann ich drauf schauen und weiß, dass ich noch Gas geben muss, um wirklich davon leben zu können, aber dass es in die richtige Richtung geht und ich mit einem doch sehr guten Lebensstandard auch schon im ersten Jahr über die Runden gekommen bin. Und jeder weiß eine Selbstständigkeit braucht auch ihre Zeit um anzulaufen… so let’s talk again in 3 years 😊

 

Habe eine Vision! And Talk!

Die große Lebensweisheit sie ich lernen durfte, welche Kraft Visionen und Gespräche haben. Wenn du eine Vision von dem hast, wo du hinwillst und wie dein Leben mal aussehen soll – dann gibt dir das jeden Tag neue Energie einen kleinen weiteren Schritt in die richtige Richtung zu gehen. Und sprich mit anderen Menschen, Freund*innen und noch Fremden über deine Visionen, Tätigkeiten, Ideen und Hindernissen! Zum einen wirkt das befreiend, hilft beim sortieren und zum anderen wirst du überrascht sein, was für hilfreich und vielleicht auch inspirierender Input von deinem Gegenüber kommt 😊 und zuletzt ist es eine Frage des Muts und der Bereitschaft auch zu scheitern, zu lernen, schritte rückwärtszumachen und sich dann wieder aufzuraffen und mit neuer Erfahrung wieder vorwärts Richtung Vision zu fließen! Es erinnert mich gerade ans Kajakfahren – Flow genießen, neue Perspektiven, Ruhen in Kehrwässern, Seiten wechseln, neue Strömungen ausprobieren, von anderen Lernen, dann wieder etwas holprig, kentern, wieder ins Boot setzen und mit neuer Erfahrung noch einmal probieren und weiter flowen.

 

Mut, Empowerment, Visionen & Bereitschaft Hinzufallen 😊

 

~ es ist die Meinung der Autorin und nicht zwangsläufig deine oder die des heiligen Internets. Wertschätzende Diskussionen und Anregungen sind stets willkommen 😊 aber denkt dran wie Janosch zu sagen pflegt „Diskussion. Hier kommt es darauf an, dass jeder Teilnehmer eine andere Meinung hat als die übrigen, sonst kommt keiner zu solchen. Am Ende nimmt jeder seine eigene Meinung wieder verstärkt mit nach Hause. Das ist das Wesen der Diskussion und macht sie so beliebt.“

 
P.S. Als freiberufliche, feministische, vllt auch leicht rebellische Autorin habe ich mir die Freiheit genommen, meine Worte ungeschönt, unkorrigiert, mit Rechtschreibfehlern und mit Sprachmix hier stehen zu lassen 😉
%d Bloggern gefällt das: